„Grundrechtsblindheit“ in Karlsruhe
Nicht erst im Streit um die einrichtungsbezogene Impfpflicht entsteht der Eindruck, dass die Möglichkeit der Nichtannahme von Verfassungsbeschwerden durch das Bundesverfassungsgericht genutzt wird, um politisch unliebsamen Verfassungsbeschwerden schnell und unauffällig jede Wirkung zu nehmen. Von Ulrich Vosgerau

Das Grundgesetz vom 23. Mai 1949 stellt die Grundrechte an den Anfang des Verfassungstextes; erst im Anschluss daran folgen die staatsorganisationsrechtlichen Bestimmungen. In der Weimarer Reichsverfassung waren die Grundrechte, die nach damaliger Auffassung ohnehin im Wesentlichen nur die Exekutive und die Verwaltungsgerichtsbarkeit binden sollten (nicht aber den Gesetzgeber, und im Zivilrecht sollten sie auch keine Rolle spielen), als eine Art Annex hinten an die Verfassung angehängt.
Länderverfassungen, die deutlich älter sind als das Grundgesetz – wie die Bayerische Verfassung (1946) – erkennt man oft daran, dass sie diese Reihenfolge aus der Weimarer Republik ganz selbstverständlich wieder aufnehmen. Solche älteren Verfassungen versuchten sich dann teils noch an phantasievollen…
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